Pinke, blaue oder auch grüne „Streifen“ blitzen unter den Trikots der DSC-Volleyballerinnen hervor. Schon lange vor dem Aufwärmen werden die Frauen vom Physiotherapeuten mit den Kinesio Tapes verschönert. Im Nacken haben die flexibel auf der Haut sitzenden Klebebänder eine thermische Funktion aber auch einen Haltungs-Korrektur-Effekt. In einer Woche liegt der Verbrauch bei 10 bis 20 Metern. Die Farbe ins Spiel zu bringen ist im langen Arbeitstag des Physiotherapeuten aber eine der letzten Aufgaben, bevor es auf dem Parkett ernst wird. Vor allem auf Auswärtsfahrten liegen bis zur unmittelbaren Spielvorbereitung schon viele Stunden Arbeit hinter den Physios. Noch bevor es zum Frühstück geht, werden die ersten Spielerinnen behandelt. „Manche bekommen eine Massage zur Lockerung. Andere, die vielleicht ein schwerwiegenderes Problem haben, werden noch einmal per Laser oder mit dem Stromgerät behandelt“, erklärt Raphael Meinel.
Seit dieser Saison ist die MAI PHYSIO der Partner der DSC-Volleyballerinnen. Dabei unterstützen vor allem Raphael und Kathleen Metzler das Team. Aber auch Inhaber Jan Mai schaut sich die Spiele in der Halle an und war bei der Champions-League-Reise nach Istanbul mit dabei. Nach dem Frühstück ist keineswegs Pause angesagt, sondern werden die nächsten Mädels behandelt oder für das Training vorbereitet. Und während die fitten Spielerinnen die Bälle über das Netz fliegen lassen, kümmert sich der Physiotherapeut weiter um die „Problemkinder.“ „Beim Vorbereitungsturnier in Polen im Sommer 2012 habe ich zum Beispiel in der Halle und während der Einheit Anne Matthes behandelt“, erinnert sich Raphael. Bis auf die Mahlzeiten haben er oder Kathleen eigentlich keine freie Zeit. „In einem Extremfall müssen vielleicht einmal vier, fünf Stunden Schlaf reichen, aber das ist die Ausnahme. Uns macht die Arbeit unglaublich viel Spaß, deshalb sehen wir das nicht als unmenschliche Belastung an“, lacht Raphael.
Bei einem Heimspiel können die Physios mit einer ausreichend großen Mütze Schlaf und ausgeruht in die Halle kommen. Höchste Konzentration ist aber beim „Packen“ des wichtigsten Koffers in der ganzen MARGON Arena angesagt. Im Physiokoffer darf für den Ernstfall nichts fehlen und auch kleine Dinge, an die man gar nicht denken mag, müssen aus dem kleinen „Wunderkasten“ gezaubert werden können. „Beliebt sind Kaugummis, Lippenpflege oder auch Traubenzucker“, weiß Raphael. Daneben dürfen Tape, Scheren, Pinzetten, jegliche Art von Pflaster, Eisspray, Baumwollbinden für die Kompression im Verletzungsfall, Desinfektionsspray, kühlende und wärmende Salben in der Ausstattung nicht fehlen. „Jede Spielerin mag mit etwas anderem massiert werden, deswegen reicht unser Repertoire von Cremes, über Lotions bis hin zu dem klassischen Öl“, berichtete der 32-Jährige. Auf Auswärtsfahrten und Flugreisen muss aber nicht nur das „Köfferchen“ transportiert werden, sondern auch die Liegen, auf denen die Mädels dann im Hotel behandelt und „durchgeknetet“ werden.
Neben dem „Alleshelfer“ namens Koffer gibt es wichtige Dinge, die man nicht vergessen darf. Sollte sich eine Spielerin ernsthaft verletzen, ist es von Vorteil, eine Orthese mit dabei zu haben. Sie kann das Gelenk im Verletzungsfall stützen und entlasten. So wie bei Myrthe im November in Vilsbiburg, als sie sich im rechten Knie während der Partie einen Meniskuseinriss zuzog. „Die Orthese hatte ich zum Glück noch von Torhüter Darko Horvat. Er hat 2006 bei Dynamo Dresden gespielt und hatte einen Kreuzbandriss erlitten“, erklärt Raphael. In einem solchen Verletzungsfall muss der Physiotherapeut schnell reagieren, denn Trainer und alle Beteiligten wollen wissen, ob die Spielerin weiter auf Punktejagd gehen kann oder nicht. „Es ist immer gut, wenn man gesehen hat, wie die Verletzung passiert ist. Dann kann man erstens einschätzen, wie schwer es ist und welche Tests man schnell machen muss. Für die Behandlung später ist es von Vorteil, wenn man weiß, welches Trauma die Spielerin erlitten hat“, so der Physiotherapeut.
Für Myrthe ging es leider nicht weiter, bis jetzt kämpft sie um ihr Comeback. An ihrem Beispiel erklärt Raphael, welche Aufgaben der Physiotherapeut nach der Operation hat. „Meistens hat man nach dem Eingriff schon mit dem Arzt gesprochen. Man bekommt aber auch einen Operationsbericht, in dem dann der Behandlungsverlauf vorgesehen ist. In den ersten zwei Wochen hat Myrthe erst einmal nur Lymphdrainage, Kühlung und Strom bekommen. Nebenbei darf man natürlich Spannungsübungen für alle andere Körperpartien machen, oder auch Oberkörpertraining. Ab der vierten Woche wird das operierte Knie dann das erste Mal leicht belastet, aber nicht mit Gewichten oder dergleichen. Es werden einfache Bewegungen versucht. Ab circa der sechsten Woche durfte sich Myrthe endlich von ihren Krücken verabschieden. Nebenbei gibt es immer wieder die Kontrollen beim Arzt, um den Heilungsverlauf zu überwachen. Meist kommt nach dem Ablegen der Gehhilfen ein kleines psychologisches Loch, weil die Verletzten dann hochmotiviert sind, aber merken, dass die Belastung noch nicht so funktioniert, wie vor der Operation. Da ist es vor allem hilfreich immer wieder Erklärungen zu geben und Verständnis für die eigene Diagnose zu schaffen“, umschreibt Raphael, der also auch Motivator sein muss. Viel später kann man dann wieder in leichtes Athletiktraining einsteigen, sich langsam an das Balltraining herantasten. Der psychologische Faktor spielt dabei eine große Rolle, da die Angst, das verletzte Knie zu belasten oder eine neue Verletzung zu erleiden, oft groß ist. Im Heilungsverlauf kann es immer wieder zu Rückschlägen kommen. Es lohnt sich aber zu kämpfen. Denn meist sind der „Leidensweg“ und die Schmerzen vergessen, wenn man vor 3000 Zuschauern in der Margon Arena auflaufen darf.
Wenn der Moment des Comebacks gekommen ist, freuen sich nicht nur Fans, Teamkameradinnen und Trainer, sondern auch der Physiotherapeut. Denn er hat schließlich mit der verletzten Spielerin die vergangenen Monate hart an der Genesung gearbeitet, immer wieder gesprochen und motiviert. So hofft Raphael, dass Myrthe, er und sein Team der MAI PHYSIO sich vielleicht noch diese Saison über das Ende der langen Reha freuen dürfen.