Bis zum ersten Spiel der neuen Saison der Frauen-Bundesliga sind es noch 23 Tage. Zeit, die Titelkandidaten unter die Lupe zu nehmen. Der DVL-Presseservice hat mit den Trainern der Topklubs über die lange Sommerpause, Titelambitionen und Neuverpflichtungen gesprochen. In einem sind sich alle einig: Die Leistungsdichte in Mittelfeld und Spitze wird in der Bundesliga immer höher. Frauen mit Niveau eben.
Gerade einmal zwei Wochen hat sich Alexander Waibl nach dem verlorenen Finalspiel um die Deutsche Meisterschaft Mitte April Pause gegönnt. Seitdem beschäftigt sich der Trainer von Vize-Meister Dresdner SC wieder leidenschaftlich mit Volleyball. Er analysierte die abgelaufene Saison, verfolgte die Olympia-Qualifikation und später die Olympischen Spiele, sichtete Spielerinnen und bereitete sich auf diese Spielzeit vor. Motivationsprobleme nach zwei verlorenen Meisterschaftsfinals hintereinander kennt der 44-Jährige nicht. „Ich habe einfach ständig Lust auf Volleyball”, sagt Waibl.
Seit vergangenem Wochenende kann er diesen Spaß am Job auch wieder seiner gesamten Mannschaft vermitteln. Inklusive der Nationalspielerinnen und Neuverpflichtungen sind wie bei fast allen Bundesligisten endlich wieder alle gesunden Spielerinnen im Training. Bei einem Vorbereitungsturnier im polnischen Breslau belegte das DSC-Ensemble zwar den letzten Platz, doch Waibl war angesichts der starken Konkurrenz durch Fenerbahce Istanbul, Dresdens Champions-League-Gruppengegner Azerrail Baku und Gastgeber Impel Wroclaw dennoch sehr zufrieden. „Mein Team stand Spielerinnen gegenüber, die im olympischen Finale standen”, sagt Waibl. „Und meine teilweise erst 18-, 19-jährigen Spielerinnen haben sich bewährt. Daran können sie sich orientieren.”
Waibl spricht nicht von Titeln und Erfolgen als Saisonziel, sondern davon, „meine jungen Spielerinnen an das Spitzenniveau heranzuführen”. Neben den Top-Verstärkungen durch die Nationalspielerinnen Laura Heyrman (Belgien/von Asterix Kieldrecht), Myrthe Schoot (Niederlande/Rote Raben Vilsbiburg) und Martina Utla (Tschechien/VfB Suhl) stehen auch insgesamt vier Spielerinnen des Jahrgangs 1994 und zwei 1993 geborene Akteurinnen im Dresdner Kader. Mit einem Altersschnitt von knapp unter 22 Jahren hat der DSC sein Team erheblich verjüngt. „Bei diesen Spielerinnen geht es darum, die technisch-taktische Entwicklung voran zu treiben”, sagt Waibl. Druck, nach drei zweiten Plätzen in fünf Jahren, endlich wieder einmal den Deutschen Meistertitel an die Elbe zu holen, verspürt der gebürtige Stuttgarter nicht.
Dresdens Trainer Waibl: „Die Bundesliga wird immer stärker”
Dass Dresden dennoch gemeinsam mit Double-Gewinner Schweriner SC und den Roten Raben Vilsbiburg um den Titel streiten wird, ist keine Frage. Doch Waibl weiß auch um die immer weiter steigende Leistungsdichte im Klassement: „Die Bundesliga wird immer stärker, das Niveau an der Spitze steigt und das Mittelfeld hat angeschlossen”, hat er beobachtet. „Die Bundesliga ist eine der Ligen in Europa, in denen das Niveau in der Breite mit am höchsten ist”, sagt der Dresdner Volleyballlehrer.
Wie als Beleg dafür nennt er neben dem Trio Schwerin, Dresden, Vilsbiburg, das in den vergangenen sieben Spielzeiten den Titel unter sich ausgemacht hat, noch einen weiteren Titelkandidaten: „Münster muss angesichts der Verpflichtungen um den Titel spielen”, sagt Waibl. Der auch durch die Transfers von Nationalspielerin Sarah Petrausch, der niederländischen Nationalspielerin Laura Dijkema sowie der US-Amerikanerin Ashley Benson „wiedererstarkte USC ist wichtig für den Volleyball in Deutschland”, sagt Waibl.
Auch Waibls Trainerkollegen aus Schwerin und Vilsbiburg sehen einen positiven Trend in der gesamten Bundesliga. Die starken Leistungen der deutschen Nationalmannschaft zögen auch die Klubs hierzulande mit, sagt Schwerins Meistertrainer Teun Buijs. „Die Mannschaften haben viele junge Leute, die Coaches ein besseres Niveau, die Organisation in den Vereinen steigt, das Know-how insgesamt wird im Volleyball größer”, sagt Buijs. Vilsbiburgs argentinischer Coach Guillermo Gallardo pflichtet dem bei: „Seitdem ich Trainer in Deutschland bin, hat sich die Liga immer weiter verbessert, es macht Spaß hier zu arbeiten.” Zwar sei der Abstand zu den Branchenführern Italien, Polen, Türkei oder Russland noch immer gewaltig, „doch die Bundesliga ist auf einem sehr guten Weg”.
Vilsbiburg ist bescheiden, Schwerin will Titel
Gallardo selbst und die Klubführung der Roten Raben aus Niederbayern müssen die Ansprüche in dieser Saison jedoch zunächst ein wenig zurückschrauben. Nach einem unfreiwillig großen Umbruch mit den Abgängen von insgesamt sieben Spielerinnen, darunter zahlreiche Leistungsträgerinnen, muss Gallardo um Zuspielerin Lena Möllers und Libera Lenka Dürr ein neues Team formen. „Wir haben eine gute Mannschaft, etwa auf dem Niveau des vergangenen Jahres, aber wir werden uns zunächst nicht so hohe Ziele setzen, das wäre unrealistisch”, sagt Gallardo. Von den sieben Neuzugängen hebt er vor allem die vom VCO Berlin gekommene Mittelblockerin Celin Stöhr hervor, der er viele Einsatzzeiten geben will.
Schwerin muss ebenfalls fünf Spielerinnen ersetzen, darunter Spielführerin Julia Retzlaff, die ihre Karriere beendete; die Hauptangreiferinnen Mira Topic und Berit Kauffeldt verließen den Rekordmeister. Doch dem coolen Coach Teun Buijs ist nicht bange: „Der Schweriner SC will immer Titel gewinnen”, sagt der Niederländer. „Wir versuchen es auch in dieser Saison.” Neben den bislang vier Neuzugängen, unter anderem der niederländischen Nationalspielerin Quinta Steenberger, die Berit Kauffeldt ersetzen soll, sowie der slowakischen Mittelblockerin Lucia Hatinova, sucht Buijs noch eine Außen-Annahme-Spielerin sowie eine Verstärkung für die Diagonalposition.
Die Arbeit sei einfacher für ihn geworden als in der vergangenen Saison, als er den Meister neu übernahm, sagt Buijs. „Aus der vergangenen Saison sind noch sieben Spielerinnen da, die meine Philosophie kennen und wissen, wie ich arbeite. Zu Beginn der Spielzeit werden wir daher besser sein, als im vergangenen Jahr”, glaubt der einstige Nationalspieler. Ein guter Start sei jedoch auch nötig, da Schwerin in den Partien gegen Suhl und Hamburg gleich an den ersten beiden Spieltagen gegen starke Konkurrenten aus dem oberen Mittelfeld der Liga ran muss. Beides Klubs, die exemplarisch für das starke Niveau der gesamten Liga stehen.